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Schnitzerljagd

2025 feierten die Wiener Wortstaetten ihr 20-jähriges Bestehen.

Barbara Kadletz und ich feierten mit einem Minidrama mit.

House of Words

November 2025

Eine Produktion der Wiener Wortstaetten in Koproduktion mit Theater am Werk.

Titelfoto.jpg

Schnitzerljagd

(2025)

Uraufführung Theater am Werk

House of Words

Mit Texten von Raphaela Bardutzky, Muhammet Ali Bas, Moritz Franz Beichl, Arad Dabiri, Allex Fassberg, Giorgio Ferretti, Amir Gudarzi, Michal Hvorecky, Barbara Kadletz & Ursula Knoll, Miriam Lesch, Alexandra Pazgu, Thomas Perle, Semir Plivac, Lena Riemer, Jaroslav Rudis, Gerhild Steinbuch, Bernhard Studlar, Claudia Tondl, Miriam Unterthiner und Elise Wilk 

Mit: Maria Fliri, Ida Golda, Sonja Romei, Roman Blumenschein, Haymon Maria Buttinger, Christoph Radakovits, Luka Vlatković
Regie: Nehle Dick
Dramaturgie: Bernhard Studlar
Musik und Komposition: Milos Todorovksi, Andrej Prozorov, Florian Kmet
Bühne und Ausstattung: Angelika Höckner
Ausstattungsassistenz: Clemens Haas
Regieassistenz: Denise Eder
Produktion: Martina Knoll, Victoria Schopf

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Schnitzerljagd

In den Tiroler Bergen, früher Abend. Man hört lautes Geklirre von kleinen Gläsern, die gegeneinanderschlagen. Dazwischen Gekeuche und Gefluche. Eine Cateringmitarbeiterin mit einem riesigen Lieferdienst-Rucksack schleppt sich in einem eleganten Service-Outfit und Pumps einen sehr steilen, engen Bergweg hinauf. Links und rechts Abgrund.

 

CATERINGMITARBEITERIN  

Na Hauptsache, der Andy sitzt schon beim Aperitif mit den feinen Herrschaften im Chalet. Und jetzt fällt ihm ein, dass die Nusr-Et-Goldschnitzerl in Gläschen als Amuse Geule nicht mitsamt dem Rennpferd mit dem Heli den Berg hinauf geliefert worden sind. Dabei ist heut mein freier Tag! (verstellt die Stimme, macht Andy nach) „Die ned amal 5 Kilometer bergauf schaffst du locker, bist ja noch jung und knackig. Aber bitte beeil dich, die Schnitzerln werden kalt, die müssen exakt 63,5 Grad haben. Sonst ist die Panade nicht knusprig und das Gold fallt uns zam.“ (Sie keucht angestrengt beim Gehen, verzieht schmerzerfüllt ihr Gesicht) Na super, jetzt krieg ich auch noch Seitenstechen. (sie bleibt stehen, hält sich die Seite und versucht tief zu atmen, die Gläser klirren im Rucksack auf ihrem Rücken). Wenigstens gibt´s hier keinen Handyempfang, dann kann der Andy nicht dauernd anrufen, wo ich bleib. 

 

Ein junger Investmentbanker, gekleidet in einem Einbrecherkostüm, stapft in Tiroler Bergschuhen den Weg entlang. Er trägt einen traditionellen Wanderrucksack, aus dem eine Rolle, in der man gerollte Gemälde transportieren kann, ragt. Er versucht verzweifelt an der Cateringmitarbeiterin vorbeizukommen, sie bemerkt ihn nicht. Er räuspert sich, flüstert Entschuldigungen.

 

INVESTMENTBANKER              

Verzeihung, Verzeihung.

 

Die Cateringmitarbeiterin erschrickt, dreht sich unbeholfen im Schreck um und wirft den Investmentbanker mit ihrem Lieferrucksack fast den Steilabhang hinunter. Sie klammern sich aneinander fest und können sich so gerade noch retten.

 

CATERINGMITARBEITERIN      

Was machen Sie da! Wollen Sie uns umbringen. Sie sehen doch wie schmal das hier ist.

INVESTMENTBANKER                   

Ich hab´s eilig, Sie blockieren den Weg.

CATERINGMITARBEITERIN  

Greifen Sie ja nicht den Rucksack an! Das Gold blättert ab wie nix.

INVESTMENTBANKER                  

Ich muss da JETZT vorbei.

CATERINGMITARBEITERIN   

Hören Sie auf, mich anzuschieben.

INVESTMENTBANKER                     

Hören Sie auf, im Weg zu stehen.

CATERINGMITARBEITERIN  

Was stressen Sie da überhaupt so herum? Die sitzen doch eh alle erst beim Aperitif. Der Hauptgang (deutet auf den Rucksack) ist noch gar nicht eingetroffen.

INVESTMENTBANKER                 

Wer sitzt beim Aperitif?

CATERINGMITARBEITERIN   

Na die im Chalet.

INVESTMENTBANKER                   

Im Chalet P.?

CATERINGMITARBEITERIN    

Keine Ahnung, gibt´s hier noch ein anderes?

INVESTMENTBANKER                      

Warum sitzt wer im Chalet???!!

CATERINGMITARBEITERIN   

Na die sind alle auf der Party. Oder wo gehen Sie hin?

INVESTMENTBANKER                  

Welche Party? Ist der Eigentümer des Chalets nicht im Gefängnis?

CATERINGMITARBEITERIN      

Ja eh, aber solang das Chalet nicht versteigert ist, machen die noch ihre Partys dort. Wäre ja schade darum, das nicht zu nützen. Oder glauben Sie, die einigen sich vor der Konkursverwaltung, wer den Picasso, das Rennpferd und die Kristallpunschkrapferl kriegt?

 

IINVESTMENTBANKER                    

In zehn Stunden geht mein Flug zurück nach Riad! Dann sind die drei Millionen weg. Und das fällt alles auf mich zurück. Hätt ich das Investment damals nur nicht vorgeschlagen! (schreit, packt sie am Rucksack,) Der Picasso war meine letzte Chance! 

CATERINGMITARBEITERIN

(bekommt Angst abzustürzen) Sie müssen sich beruhigen! (Sie überlegt fieberhaft) Essen! Essen hilft immer!

Sie stellt den Rucksack ab, holt ein Goldschnitzel heraus und stopft es ihm in den Mund. Er beginnt verbissen zu kauen.

INVESTMENTBANKER                      

Was mach ich jetzt nur? Was mach ich nur? ​

(Er greift in den Rucksack, nimmt sich noch ein Glas, isst noch ein Schnitzerl, dann noch eines, kaut, überlegt)

Was mach ich nur, was mach ich nur?

CATERINGMITARBEITERIN      

Sind Sie verrückt? Sie können die doch jetzt nicht alle auffressen! Die sind abgezählt. Für den Schwund muss ich dann aufkommen!

Der Investmentbanker isst unverdrossen weiter.

CATERINGMITARBEITERIN     

Was mach ich nur, was mach ich nur? Der frisst mir alle Schnitzerln auf. Was sag ich denn dem Andy?

INVESTMENTBANKER                

Was mach ich nur, was mach ich nur? Was sag ich denn dem Scheich?

 

Auf einmal Hufgetrappel vom Hang, ein Pferd taucht vor ihnen auf, es hat ein blutverschmiertes Fell. Andys goldene Armbanduhr hängt ihm aus dem Maul.

 

INVESTMENTBANKER     

Wart einmal, ist das nicht das teure Rennpferd? Das wären doch die drei Millionen.

CATERINGMITARBEITERIN  

Wart einmal, ist das nicht die goldene Uhr vom Andy da in seinem Maul?

 

Das Pferd reißt das riesige Maul auf, Geschrei. Black. Man hört lautes Geschmatze, Zähnemalmen, ein paar letzte Schreie, zufriedenes Wiehern.

 

Licht an. Das Pferd blutverschmiert und strahlend vor Glück.

 

PFERD

„Steh!“ Haben sie gesagt.

„Ruhig.“

„Vorwärts!“

„Trab!“

„Galopp!“

„Jump!“

„Wettbewerb bringt Innovation, Wachstum und Sinn.“

„Stillstand = Rückschritt.“

„Wer nicht wächst, verliert.“

„Du musst ständig an dir arbeiten.

„Betrachte dich als Startup.“

„Du allein bist verantwortlich für deinen Erfolg, niemand sonst.“

„Scheitern bedeutet nur, dass du nicht hart genug arbeitest.“

„Wer will, der kann.“

Haben sie gesagt.

(Pferd schmatzt und rülpst)

Okay, sage ich.

 

Pferd ab.

Ende.

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