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Lektionen

in dunkler Materie

5 Frauen, die ausrasten.

Ein Episodenroman

Gewinnerin Das Debüt 2022

Bloggerpreis für Literatur

Begründung der Jury:

»Ursula Knolls Roman zeichnet auf fesselnde Weise die Schicksale mehrerer Frauen nach. Alle Frauen haben eins gemeinsam: Sie kämpfen um ihr Anrecht auf Glück, um die Liebe, gegen Systeme und für eine bessere Welt. Alle Frauenfiguren erleben einen Moment, in dem sie nicht mehr nach den Regeln des Systems funktionieren können und wollen. Doch sie brechen in den Momenten der Verzweiflung nicht zusammen, sondern finden in der Krise eine neue Kraft. Klischeefrei, ohne kitschiges Pathos beweist Knoll, wie fein sie die Balance zwischen Situationskomik und authentisch wirkendem Gefühlsausbruch austarieren kann. Die Autorin baut gekonnt Spannung auf, ohne die Cliffhanger aufdringlich erscheinen zu lassen, sodass der Roman im besten Sinne zum echten Pageturner wird.«

»Fünf Frauen packt die Wut. Ursula Knoll hat ihnen dafür eine gelungene literarische Form gegeben. Dabei ist der Roman ›Lektionen in dunkler Materie‹ von einer Gegenwärtigkeit, die sich – das lässt sich recht gefahrlos behaupten – als haltbar erweisen wird.«
– Holger Englerth, Buchmagazin Literaturhaus Wien

 

 

»Lektionen in dunkler Materie erzählt in klug konstruierten Geschichten von einigen der relevantesten Themen unserer Zeit.«– Beate Kniescheck, Der Hotlistblog

»Alle sind Kämpferinnen, alle sind komplizierte Charaktere, alle haben mindestens einen Moment, in dem sie nicht so funktionieren wie vorgesehen. ›Lektionen in Dunkler Materie‹ ist ein klug konstruierter Debütroman. Man darf gespannt auf Knolls nächstes Buch sein.« – Jenny Blochberger, FM4

ausführliches Interview mit

Daniela Fürst auf Literadio:

Buchbesprechung englisch/deutsch
Encounters
University of London
Institute of Languages, Cultures and Societies
Organisation: Andrea Capovilla
mit Ruth Martin und Ursula Knoll
7. April 2024





Lektionen in dunkler Materie

Roman

Verlag Edition Atelier 2022

ISBN: 978-3-99065-068-4

 

 

Prolog

 

Der Aggregatzustand

 

Es lässt sich nicht sagen, was genau den Ersatzhandschuh dazu gebracht hatte, sich aus der Kiste zu lösen und von der Ladefläche im Inneren des Gemini-4-Raumschiffes langsam ins All hinauszuschweben.

Jedenfalls bemerkte der Astronaut Edward White, ganz in seinen ersten Weltraumspaziergang vertieft, nichts von diesem stummen Ereignis in seinem Rücken. Stoßweise bewegte er sich vorwärts, indem er mit seinem Pressluftgerät Tempo und Flugrichtung zu kontrollieren versuchte. Das nahm seine Konzentration derart in Anspruch, dass er nicht mitbekam, wie die Finger seiner linken Hand den Verbindungsschlauch, den er an der Außenwand austauschen wollte, zusammenquetschten, um seiner inneren Anspannung ein Ventil zu verschaffen. Der Schlauch behielt eine Delle, die die Wasserzirkulation im Raumschiff später zwar beeinträchtigte, nicht aber unterband.

Dieses Versäumnis konnte ihm in weiterer Folge auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn wer hätte in dieser Situation den Spürhundinstinkt aufgebracht, auch noch auf einen unbedeutenden Handschuh in der Ersatzteilkiste zu achten? Als Korrektur wurde in den Protokollen der darauffolgenden Missionen die Notiz hinzugefügt, Ersatzgewand niemals ungesichert zu verstauen und auf gar keinen Fall etwas rumkugeln zu lassen. 

 

Der Handschuh entfernte sich inzwischen von seinem Zuhause, richtete es sich auf  einer der Erdumlaufbahnen gemütlich ein und galt lange Zeit als gefährlichstes Kleidungsstück des Universums.

Mit achtundzwanzigtausend Stundenkilometern, der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Gemini 4 auf ihrer Umlaufbahn dahinglitt, raste er unkontrolliert durch das Weltall. Hätte er dabei einen anderen Körper getroffen, hätte er sich durch die freigesetzte Energie kurzzeitig wie eine Flüssigkeit verhalten, die diesen anderen Körper schockwellenartig durchrast (bei einem Druck von Millionen Kilogramm pro Quadratzentimeter verflüssigen sich feste Stoffe wie Metall und Plastik und verdampfen wie Quecksilber an der Sonne). Der getroffene Körper wäre zerrissen, der Satellit, die Raumstation oder der Versorgungstransporter zu unkontrollierbar schwebenden Einzelteilchen zersiebt, ein paar Menschenleben ausgelöscht, ein paar weitere beschädigt, GPS-Systeme und Datenübertragung auf der Erde lahmgelegt, Illusionen verletzt, Eitelkeiten vernichtet.

Während es den Astronauten White ein paar Jahre später beim unglücklichen Start einer anderen Mission zerfetzte, raste der Handschuh einsam ohne weiteren Zwischenfall vor sich hin und behielt seinen Aggregatzustand bei, bis er schließlich friedlich in die Erdatmosphäre absank, wo er leise verglühte.

Im Großen und Ganzen hatten die Menschen im Kosmos also nochmals ganz schön Schwein gehabt.

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